Landtagswahl 2026: Cem Özdemir soll Grünen die Macht sichern

  • Mai 23, 2025

Viele Jahre war Cem Özdemir auf der Berliner Bühne präsent. Nun kehrt er als Kandidat für das Ministerpräsidentenamt in die Heimat zurück. Wer ist der Mann, der die Grünen an der Macht halten soll?

Von seiner Zeit als Handball-Torwart erzählt Cem Özdemir in letzter Zeit gerne. Damals, als er als Jugendlicher für den TSV Urach zwischen den Pfosten stand, da habe er auch viel fürs Leben und seinen Job als Politiker gelernt, geht die Erzählung. Wer hunderte Male den Ball ins Gesicht bekommen habe, der lerne, sich nicht wegzuducken. 

In den nächsten Monaten dürften die Nehmerqualitäten von Özdemir noch ein paar Mal auf die Probe gestellt werden. Denn wenn ihn die Delegierten am Samstag auf dem Grünen-Parteitag in Heidenheim wie erwartet zu ihrem Spitzenkandidaten für die nächste Landtagswahl küren, dann steht der Mann aus Bad Urach wohl vor der schwierigsten Aufgabe seiner bisherigen politischen Karriere: Er soll für die Grünen nach 15 Jahren mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Macht sichern und zum zweiten grünen Ministerpräsidenten in der Geschichte der Bundesrepublik werden. 

Mit Landespolitik hatte der 59-Jährige bislang wenig am Hut. Seit 1981 ist er Mitglied der Grünen, von 2008 bis 2018 war er Bundesvorsitzender der Partei. 1994 wurde er zum ersten Mal in den Bundestag gewählt – als erster Abgeordneter mit türkischen Wurzeln. 

Am Ende sogar Doppelminister in der Ampelregierung

Auf Ärger um dienstlich gesammelte, aber privat genutzte Bonusmeilen und einen Privatkredit folgte ab 2002 eine bundespolitische Auszeit in den USA und Brüssel. Von 2004 bis 2008 war Özdemir Mitglied im EU-Parlament, seit 2013 saß er wieder im Bundestag und holte 2021 im Wahlkreis Stuttgart I mit 40 Prozent der Erststimmen das Direktmandat. 

Im Ampel-Kabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wurde er Landwirtschaftsminister. Als solcher stand er im Proteststurm von Bauern, als die Bundesregierung die Subventionen für den Agrardiesel abschaffen wollte. Auch sonst bescheinigen ihm Kritiker eine magere Bilanz. Nach dem Bruch der Koalition übernahm er zusätzlich das bis dahin FDP-geführte Bildungsressort. „Ein Gehalt, zwei Ministerien: Spart den Steuerzahlern Geld“, witzelte Özdemir damals.

Politische Erfahrung hat er also im Vergleich zu seinem mehr als 20 Jahre jüngeren CDU-Konkurrenten Manuel Hagel über viele Jahre gesammelt – und auch für den Wahlkampf im Südwesten bringt er einiges mit. Bei Terminen in Baden-Württemberg lässt der selbst ernannte „anatolische Schwabe“ gerne mal seinen Dialekt durchscheinen. Dem VfB Stuttgart drückt er regelmäßig auch öffentlichkeitswirksam die Daumen, weswegen sie ihn bei der Konkurrenz aber auch gerne mal einen Selbstdarsteller nennen. 

Das Spiel mit den Medien beherrscht der 59-Jährige gut. Viel Aufmerksamkeit bekam er etwa, als er bei seiner Ernennung zum Bundesminister nicht wie seine Kollegen in der schwarzen Limousine, sondern mit dem Fahrrad beim Bundespräsidenten vorfuhr. Genauso wie beim Abholen seiner Entlassungsurkunde.

Obwohl Özdemir über viele Jahre in Berlin lebte, ernannte ihn seine Heimatstadt Bad Urach im vergangenen Herbst zum Ehrenbürger. Als Begründung führte Bad Urachs Bürgermeister Elmar Rebmann (SPD) an, Özdemir habe als Kind türkischer Einwanderer bewiesen, dass sich Fleiß und Wille auszahlten. Er sei damit Vorbild für viele Menschen mit Migrationshintergrund geworden. 

Aufsteiger mit türkischen Wurzeln

Es sei ihm nicht in die Wiege gelegt worden, dass er mal Bundesminister werden würde, sagt auch Özdemir häufig. Sein Vater arbeitete in mehreren Fabriken, seine Mutter betrieb eine eigene Änderungsschneiderei. In der Schule tut sich der Sohn türkischer Gastarbeiter schwer. Hilfe findet er bei Nachbarn und Freunden, die ihn bei den Hausaufgaben unterstützen oder mit zum Wandern nehmen, heißt es in seinem Bewerbungsschreiben für die Spitzenkandidatur. Nachhilfelehrerin, Handballtrainer und Freunde hätten ihn bestärkt, etwas aus seinem Leben zu machen, sagt Özdemir.

In seiner Partei gibt es auch Stimmen, die fragen, ob seine türkischen Wurzeln nicht auch ein Nachteil sein könnten. In Großstädten sei der Name Özdemir kein Problem, sagte der ehemalige Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon im vergangenen Jahr in einem Interview. Da interessiere es niemanden, dass Özdemir türkische Wurzeln habe. „Aber Baden-Württemberg ist ein konservatives Land, und ich weiß nicht, wie alle Leute hier so ticken.“ 

Özdemir verweist im Gegenzug darauf, dass ihn Menschen, die mit seinen türkischen Wurzeln ein Problem hätten, ohnehin nicht wählen würden.

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