
Derzeit werden in Deutschland nur ganz wenige Urteile veröffentlicht. Interessierte Bürger haben kaum Chancen, sich einen Überblick über Gerichtsentscheidungen zu verschaffen. Das soll besser werden.
Ärger wegen eines Mietwagens? Probleme mit einem Reiseveranstalter? Streit mit dem Nachbarn um einen Gartenzaun? Verbraucher sollen sich künftig besser über bereits vorhandene Gerichtsurteile in diesen und anderen Streitfällen informieren können. Möglich macht das der Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Ein am Landgericht Hanau entwickeltes hessisch-baden-württembergisches Pilotprojekt steht jetzt in den Startlöchern.
„Unser Ziel ist, dass wir das Projekt nach einer Evaluierung im Sommer bis zu diesem Herbst auf alle ordentliche Gerichte in Hessen und Baden-Württemberg ausdehnen können“, erklärt der Präsident des Landgerichts Hanau, Frank Richter, der maßgeblich an der Entwicklung beteiligt war.
Bisherige Anonymisierung per Hand fehleranfällig und aufwendig
Bevor Urteilstexte im Original veröffentlicht werden können, müssen sie bislang per Hand anonymisiert werden, damit aus Datenschutzgründen keine Rückschlüsse auf die tatsächlichen Prozessbeteiligten möglich sind. „Das ist fehleranfällig und arbeitsaufwendig“, erklärt Richter.
Das Pseudonymisierungs-Werkzeug „Jano“ („Justiz-Anonymisierung“), an dem laut Richter auch das Landgericht Mannheim beteiligt ist, automatisiert diese Arbeit. Neben Hanau und Mannheim wird „Jano“ derzeit auch an Gerichten in Frankfurt, Wiesbaden und Darmstadt getestet. Gefördert wird das Projekt mit Bundesmitteln.
Bei der Pseudonymisierung gehe es nicht darum, bloß die Namen von Personen oder Orten zu entfernen, erklärt Richter. Dieses Ausschwärzen würde die Lesbarkeit erschweren. „Wir wollen, dass die Rollen von Prozessbeteiligten wie beispielsweise Angeklagte oder Anwalt des Klägers in dem Urteilstext erhalten bleiben, so dass der Text lesbar bleibt“, sagt der Gerichtspräsident.
Die Anwendung wird webbasiert, so dass die entsprechende Seite von allen Gerichten genutzt werden kann. Der Datenschutz sei gewährleistet, betont der Gerichtspräsident.
Veröffentlichung von Urteilen oft nur nach Zufallsprinzip
Derzeit werden laut Richter in Deutschland nur ein bis zwei Prozent aller Urteile veröffentlicht. Daher habe man bislang als interessierter Bürger kaum Chancen gehabt, sich einen Überblick über Gerichtsentscheidungen zum gleichen Sachverhalt zu verschaffen. Da gehe vieles nach dem Zufallsprinzip – je nach der Bereitschaft des jeweiligen Gerichts, die Urteile zu veröffentlichen.
„Jano“, so hofft Richter, wird helfen, diese Quote zu steigern. „Es geht auch darum, Gerichtsarbeit transparenter zu machen.“ Willkommener Nebeneffekt: Die Arbeit mit „Jano“ schafft Trainingsdaten für künftige KI-Anwendungen.