
Ein Arzt soll für das Assad-Regime in Syrien getötet und gefoltert haben. Später arbeitet er unbescholten in Deutschland. Der seit über drei Jahren dauernde Prozess geht auf sein Ende zu.
Im Frankfurter Prozess gegen den mutmaßlichen Folterarzt Alaa M. aus Syrien haben die Rechtsanwälte der Opfer deren Qualen geschildert. „Die hier verhandelten Taten gehören zu den schwersten, die man sich vorstellen kann“, sagte einer von ihnen in seinem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht (OLG). Sein Mandant war mit seinem Bruder inhaftiert gewesen, M. soll die Männer im Militärkrankenhaus der syrischen Stadt Homs geschlagen, getreten und schließlich den an Epilepsie leidenden Bruder mit einer Medikamentengabe getötet haben.
Ein weiterer Rechtsanwalt schilderte, wie der Anhänger des Assad-Regimes seinen Mandanten misshandelt und geschlagen habe.
„Nur noch Schlachthöfe“
Ein weiterer Häftling war gerade volljährig geworden, nachdem er wegen der Teilnahme an einer Demonstration verhaftet wurde und wegen seiner Verletzungen nach massiven Folterungen in eine Klinik verlegt werden wollte – trotz der Warnungen von Mithäftlingen, es gebe „keine Krankenhäuser mehr, nur noch Schlachthöfe“, wie sein Anwalt sagte: „Er dachte, dass es nicht mehr schlimmer kommen könne, doch er irrte sich.“
Der heute 40-jährige M. habe ihn in einem Folterraum in der Klinik mit Händen und Füßen an der Decke aufgehängt und geschlagen. Anschließend habe er den am Boden liegenden jungen Mann mit einer Flüssigkeit besprüht und seinen Arm angezündet.
Der Angeklagte bezeichnete sich in dem seit mehr als drei Jahren dauernden Prozess bislang als nicht schuldig, sondern als Opfer eines Komplotts.
Lebenslange Haft gefordert
Die Bundesanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer vergangene Woche lebenslange Haft, Sicherungsverwahrung und Berufsverbot für den syrischen Arzt gefordert, und zwar wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. M. sei eine Gefahr für die Allgemeinheit, so die Staatsanwältinnen. Die Anklagebehörde legt dem Mann zwei Todesfälle und acht Fälle schwerer Folter zur Last, begangen in den Jahren 2011 und 2012. Der Senat des OLG will am 16. Juni sein Urteil verkünden.
M. war 2015 nach Deutschland gereist und hatte in mehreren Kliniken als Orthopäde gearbeitet, zuletzt im nordhessischen Bad Wildungen. Im Sommer 2020 wurde er festgenommen – Opfer hatten den Arzt in einer TV-Dokumentation über Homs wiedererkannt. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Ein Gutachter attestierte ihm einen Sadismus.
Dass sich der Arzt wegen Verbrechen in seiner Heimat vor einem deutschen Gericht verantworten muss, liegt auch am sogenannten Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht. Es erlaubt, auch hierzulande mögliche Kriegsverbrechen von Ausländern in anderen Staaten zu verfolgen.