Kanzler überrascht: Plötzlich ist Merz der neue Star am Social-Media-Himmel

  • Juni 15, 2025

Ein guter Social-Media-Auftritt gehört für Politiker mittlerweile dazu. Kanzler Merz will sein Image aufbessern und bezirzt seine Follower mit völlig neuen Videos.

Wer in den vergangenen Tagen durch das Instagram-Profil des Bundeskanzlers gescrollt ist, dem ist vielleicht eine Veränderung aufgefallen. Statt Bilder und Videos von Friedrich Merz, wie er anderen Staatsträgern die Hand schüttelt oder mit ernstem Gesicht eine Pressekonferenz abhält, ist plötzlich ein ganz neuer Kanzler zu sehen. Ohne Jackett und mit direktem Blick in die Kamera sitzt Merz in einem hellen Stoffsessel im Kanzleramt und liest Kommentare von Usern vor. Ein bekanntes Social-Media-Format, dessen sich gerne bekannte Influencer bedienen. Aber für Merz? Neuland.

Und nicht nur für Merz: Auch seine Follower und alle, die Merz sonst als ernst auftretenden Politiker erlebt haben, der sich auch im Wahlkampf nicht der gängigen Social-Media-Trends bedient hat, sind überrascht. Lässig sitzt der Kanzler in seinem Büro, mit einem Tablet auf dem Schoß und beantwortet Fragen von Usern, die in der Kommentarspalte auftauchen. @Tom beispielsweise erinnert an das Stefan-Raab-Lied und fragt: “Machen Sie immer mal wieder Rambo Zambo im Kanzleramt?”, liest Merz die Frage lachend vor, bevor er in die Kamera antwortet: “Habe ich bisher nicht gemacht, ist aber eine gute Idee. Ich werde mit meinem Team darüber sprechen.”

Insgesamt drei Videos dieser Art gibt es bereits auf dem Account des Bundeskanzlers, gepostet im Abstand von wenigen Tagen. Darin beantwortet er jeweils drei bis vier Fragen, manche davon ernst (“Was sind Ihre Pläne für Deutschland?”), andere bewusst nicht. “Können Sie mal Ihre Frisur erklären?” Merz kontert humorvoll: “Gegenfrage: Ist das eine Frisur?” Ein Ton, den man von dem sonst so beherrschten und betont staatsmännisch auftretenden CDU-Politiker bis dato nicht kannte. 

Merz gibt den Online-Kanzler

“Ich hätte damit gar nicht gerechnet. Zumindest nicht, wenn man sich den Wahlkampf von Friedrich Merz angeschaut hat”, sagt Social-Media-Experte Marlon Giglinger. Das Format kommt gut an. Ein User kommentiert: “Schlagfertig wie im Oval Office.” Der Kommentar bekommt 7.700 Likes – und er ist nicht der einzige. Etliche User geben dem Kanzler positives Feedback. “Sehr sympathisch” oder auch “Endlich ein Kanzler, wie ihn Deutschland sich gewünscht hat” liest man unter den Videos. Das Social-Media-Team von Merz, das den Kanal betreut, versichert, dass der Kanzler die Fragen vorher nicht gesehen habe und alles spontan beantwortet hätte. Auch gebe es kein Skript. 

Auch sonst habe das Social-Media-Team von Merz ganze Arbeit geleistet, findet Giglinger, der selbst eine PR- und Social-Media-Agentur in Berlin leitet. “Die Videos sind sehr klar strukturiert. Auch die Rahmenbedingungen passen gut. Es ist gutes Licht, ein klarer Sound und pointierte Botschaften.“ Merz mache seine Sache überraschend gut: “Er gibt sich bürgernah, wirkt nicht gestylt und überinszeniert und trotzdem professionell. Das Format suggeriert: Hier spricht nicht der Parteipolitiker, sondern der Regierungschef.” Damit schaffe er, was sonst nur wenigen Politikern gelingt: “Auf der einen Seite wirkt er sehr authentisch, auf den Social-Media-Plattformen aber dennoch sehr staatsmännisch. Also genau die Gratwanderung, die vielen Politikern auf Social Media in der Regel nicht schaffen,” so der Experte. 

Wie wertvoll ein gut gemachter Online-Auftritt sein kann und sich sogar auf Umfragewerte und Wahlen auswirken können, haben bereits Parteien wie die AfD oder die Linken vorgemacht. Letztere haben einige Monate vor der Bundestagswahl im Februar die Kampagne der drei “Silberlocken” mit Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow gestartet, um Wählerstimmen zu gewinnen. Das meiste davon lief bei TikTok und Instagram ab. Als Heidi Reichinnek dann kurz vor der Wahl mit ihrer viral gegangenen Bundestagsrede nachlegt, ist der Partei eine Aufholjagd geglückt: Von drei Prozent in den Umfragen schießt die Partei zur Bundestagswahl auf fast neun Prozent hoch. Dieser auch von Social Media getragene Erfolg wurde breit wahrgenommen, nicht nur in den Parteizentralen. 

Besser als Scholz allemal

Merz will das für sich nutzen. Eine hohe Reichweite hat er bereits, da die Bundeskanzler-Kanäle vom Vorgänger übernommen wurden. Der zählt momentan 2,4 Millionen Follower auf Instagram. Auch seine Beliebtheitswerte könne Merz “mit Sicherheit stark” steigern, meint Giglinger. “Man sieht das auch an den positiven Kommentaren, an dem positiven Feedback, generell, dem hohen Engagement seiner Community, seiner Zielgruppe. Man sieht auch in den Umfragewerten, dass er zurzeit gut ankommt. Und Social Media hat mit Sicherheit seins dazu beigetragen.”

Die Umfragewerte sind für Merz wichtig. Nach der Bundestagwahl fällt die Zustimmung für die Union, die AfD überholt sie sogar einige Wochen lang. Den Trend konnten CDU und CSU zuletzt wieder drehen. Auch Merz gewann einen Monat nach seiner Wahl an Zuspruch, wie das RTL/ntv Trendbarometer am Dienstag gezeigt hat. Grund ist auch der als geglückt bewertete Besuch bei US-Präsident Donald im Weißen Haus gewesen. 

Der neue Social-Media-Auftritt von Merz ist jedoch nicht zwingend gleich wie seine Amtsführung. Doch darum geht es auch nicht: Es soll den Kanzler nahbarer machen, Sympathien wecken und im besten Fall die jüngere Generation ansprechen, von der 69-jährige Großvater weit entfernt ist. Es gehe in den Videos mehr um die Person als den Politiker Merz, so Giglinger. Im Vergleich zu seinem Vorgänger mache er in jedem Fall eine bessere Figur: “Wenn man das auch mit dem Auftritt unseres ehemaligen Bundeskanzlers vergleicht, glaube ich schon, dass hier sehr viel Friedrich Merz mit drin ist.” Auf dem Niveau von Emmanuel Macron, der das Spiel mit den sozialen Netzwerken geradezu perfektioniert hat, sei Merz aber noch nicht. “Aber er ist auf dem besten Weg.”

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