Jason Selvig und Davram Stiefler sind „gute Lügner“. Indem sie versuchen, ihnen möglichst ähnlich zu sein, entlarven sie Demagogen. Aktuell ist das vor allem: Trump und Entourage.
Robert F. Kennedy Jr. sorgte kürzlich mit einem Familienfoto für Empörung. Vergnügt planschte der als Impfgegner und Verschwörungstheoretiker bekannte US-Gesundheitsminister mit seinen Enkeln in einem Fluss. Der Haken: Der Rock Creek ist seit Jahrzehnten wegen Fäkalien, Müll und E.-coli-Bakterien gesperrt. Was Kennedy mit dem Ausflug und den Fotos beabsichtigte, ist unklar.
Wenige Tage später besuchten zwei Männer den Ort. Sie dokumentierten, was sie vorfanden: gelb schäumendes Wasser, schwimmende Müllinseln, einen merkwürdigen Gestank. Ihre Vermutung: Kennedy habe sich absichtlich dem verseuchten Fluss ausgesetzt, um seinen Körper zu „stärken“.
Die beiden Männer am Fluss waren keine Reporter. Es sind Guerilla-Comedians: Jason Selvig und Davram Stiefler, besser bekannt als das satirische Duo „The Good Liars“ – zu Deutsch: „Die guten Lügner“.
„The Good Liars“ nutzen Satire, um rechte Politiker zu entlarven
Ihr Video vom Rock Creek erzielte innerhalb einer Woche auf Youtube mehr als 300.000 Aufrufe. Auf Tiktok folgen dem Duo mehr als 2,4 Millionen Nutzer. Das Ziel der beiden Spaßvögel: rechte Politiker und ihre flexiblen Wahrheiten entlarven. Dafür mischen sie sich beispielsweise als verkleidete Trump-Anhänger unter dessen Rallys, verkaufen erfundene „Trump-Bibeln“ oder bringen MAGA-Fans mit gezielten Fragen dazu, sich in ihrer eigenen Logik zu verheddern.
Ist vielleicht genau diese Methode – Lüge gegen Lüge – eine wirksame Antwort auf Trumps Fake News?
Jason Selvig und Davram Stiefler, beide in den 1980er-Jahren geboren, üben sich bereits seit 2011 im Flunkern. Damals inszenierten sie ihren ersten Streich:Bei der Aktion „Occupy Wall Street“ gaben sich die beiden als Banker aus und erklärten, sie gehörten zur „Ein-Prozent-Elite“. In Anzügen sprachen sie mit Demonstranten und sagten Sätze wie: „Die Leute hier heulen nur rum, weil wir so hart gearbeitet haben. Wir können ohne ein drittes Haus nicht leben.“ Echte Banker nahmen den Scherz für bare Münze und stimmten mit ein.
Donald Trumps Anhänger bedrohen sie
Dabei profitieren Selvig und Stiefler von ihrer jahrelangen Erfahrung aus dem Improvisationstheater, wo sich die beiden auch kennengelernt hatten. „Seitdem sind wir überzeugt, dass man aus realen Situationen die stärkste Komik gewinnen kann“, sagte Stiefler der englischen Zeitung „The Guardian„. Wegen seiner jüdischen Herkunft ist er seit Langem Anfeindungen durch erzkonservative Wähler ausgesetzt. Einer von ihnen prophezeite ihm ohne Umschweife: „Du wirst in der Hölle landen.“ Auch Selvig entspricht nicht dem MAGA-Klischee. Seine Arme sind frei von Tätowierungen, sein Körperbau eher aristokratisch schlank.
Zwischen Delegierten, Bannern und großen Versprechen: „The Good Liars“ Jason Selvig (l.) und Davram Stiefler am Rande des Parteitags der Demokraten am 21. August 2024 in Chicago
© Matt Rourke
Den Schmähungen setzen die „guten Lügner“ ihre ganz eigene Methode entgegen: subtile Satire, so geschickt und unauffällig eingesetzt, dass ihre Opfer – oder auch große, namhafte Medien – meist nicht merken, dass sie bloßgestellt werden. Zu den Geprellten zählen unter anderem Ted Cruz, Tucker Carlson, Fox News sowie der ehemalige Cheflobbyist der amerikanischen Waffenlobby NRA, Wayne LaPierre.
Im Jahr 2022 trat Selvig auf der NRA-Versammlung ans Pult – mit einer Rede, die sich direkt an den damaligen NRA-Chef Wayne LaPierre richtete. „Ich will sagen, dass die linken Medien mich krank machen“, begann er provokant und warf ihnen vor, „Fake News“ über LaPierre zu verbreiten. Anschließend bedankte er sich – scheinbar aufrichtig – für die „Gedanken und Gebete“, die die NRA nach jedem größeren Schusswaffenangriff an die Opferfamilien sende. „Er hat doch etwas getan“, erklärte Selvig mit gespieltem Ernst. „Er hat gedacht. Und gebetet.“ Vielleicht, fügte er hinzu, würde die Gewalt aufhören, wenn man einfach noch mehr denke oder bete. Der Saal applaudierte. Doch vielen entging die bittere Ironie.
Das Duo nimmt nicht nur Trump und seine Anhänger ins Visier. Sie zielen auch auf Institutionen, die wegen Diskriminierung, Lobbyismus oder radikaler Ideologie in der Kritik stehen. So gaben sie sich im Januar 2021 als ehemals schwules Paar aus und überzeugten einen Mitarbeiter des US-Fast-Food-Riesen Chick-fil-A davon, dass ihnen kostenlose Sandwiches zustünden – weil sie nun „hetero“ geworden seien. Chick-fil-A ist für seine konservativen und christlichen Haltungen bekannt, wie der Sender CNN berichtete. In der Vergangenheit hatte die Kette an Anti-LGBTQ-Organisationen gespendet.
In der New Yorker U-Bahn klebten Selvig und Stiefler zudem gefälschte Werbeposter, auf denen der damalige Fox-News-Moderator Tucker Carlson mit dem Slogan „Old school racism. Middle school haircut“ („Altmodischer Rassismus. Haarschnitt wie aus der Mittelstufe“) zu sehen war. Für den ehemaligen Trump-Anwalt Rudolph Giuliani entwarfen sie ein Werbeplakat mit der Aufschrift „Need a lawyer? Call Crazy Rudy“ („Brauchen Sie einen Anwalt? Rufen Sie den verrückten Rudy an“) – inklusive Telefonnummer. Wer anrief, hörte: „Sie haben die Kanzlei von Crazy Rudy erreicht! Wir sind spezialisiert auf Hinterzimmer-Deals, TV-Auftritte – und arbeiten auch betrunken.“
Auch Donald Trump Jr., Sohn des Präsidenten, verschonten sie nicht. Das Cover seines Buches „Triggered“ ersetzten sie durch eine optisch ähnliche Version mit dem Titel „Daddy, please love me!“ – „Papa, bitte lieb mich!“ Die Aktion verbreitete sich rasant auf Trump-kritischen Kanälen in den sozialen Medien. „Hat einen Moment gedauert, bis ich gemerkt habe, dass das nicht der echte Titel ist“, schrieb eine bekannte US-Moderatorin auf X.
Auch wenn das Ziel solcher Aktionen ist, Mächtigen den Spiegel vorzuhalten und auf ihre Lügen aufmerksam zu machen, haben Stiefler und Selvig mit ihren Streichen noch etwas anderes bewirkt. In seinem Posteingang findet Stiefler zahlreiche Nachrichten von Menschen, die ihr politisches Interesse bereits aufgegeben hatten, und schreiben: „Ihr habt uns wieder zurück in die Politik geholt!“
Zählt Prominenz mehr als die Wahrheit?
Sogar MAGA-Anhänger, die eigentlich Zielscheibe der „Good Liars“ sind, feiern das Duo. Sie begegneten hauptsächlich jüngeren Trump-Anhängern, die von ihren Videos schwärmten, erzählt Stiefler. „Es spricht für sich, dass diese Menschen sich eindeutig nicht mit dem abseitigen Unsinn identifizieren, den wir satirisch aufs Korn nehmen.“
Mittlerweile hat das Duo allerdings ein ganz anderes Problem: Es ist inzwischen bei Republikanern so bekannt, dass die vor der Kamera keine ehrlichen Aussagen mehr machen, sondern extra krude Thesen propagieren, bloß um an ein Selfie mit Selvig und Stiefler zu kommen. Im „Brooklyn MAGAzine“ klagte Selvig vergangenes Jahr: „Wir suchen aber keine Leute, die nur wild reden wollen, um berühmt zu werden. Wir wollen ehrliche Gedanken hören – und genau das bekommen wir nicht.“
Ziel bleibe es, dass ihr Publikum über die politisch aufgeladene Situation in den USA lachen könne. Selvig: „Was kann man an einem bestimmten Punkt noch tun, außer lachen? Das ist manchmal sehr, sehr schwer. Aber das heißt nicht, dass wir es nicht versuchen werden.“
